Wie das möglich sein soll? Durch die Besiedlung des Mars! „Das wird ein großartiges Abenteuer“, meint Elon Musk zu seinen Plänen, durch sein Weltraumunternehmen Space X ab Mitte dieses Jahrzehnts Menschen auf den Mars zu schicken. Interessenten dafür haben sich bereits gefunden, die bereit sind, die Erde zu verlassen und die Reise zum roten Planeten ohne Rückkehr anzutreten. Marsmissionen werden bereits in Wüstenregionen auf der Erde simuliert, — und nicht nur auf Initiative von Musk.
Warum sollte der Mensch eine multi-planetare Spezies werden?
„Ich beschwöre Euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, die Euch von überirdischen Hoffnungen reden. Giftmischer sind es, ob sie es wissen oder nicht“, schrieb der Philosoph Friedrich Nietzsche in seinem Werk „Zarathustra”. Nach dem Stand der Wissenschaft und Technik im ausgehenden 19. Jahrhundert sprach in der Tat nicht wenig für Nietzsches Sichtweise. Auch heute noch sind die Schwierigkeiten und Herausforderungen gewaltig, die zu bewältigen wären, den Homo sapiens zu einer multi-planetaren Spezies werden zu lassen. Eines aber hat sich seit den Tagen Nietzsches entscheidend verändert: Mit dem Eintritt ins atomare Zeitalter ist die Notwendigkeit um ein Vielfaches gewachsen, in absehbarer Zeit eine Lösung der Probleme zu finden, die es bislang schwer vorstellbar machten, dass Menschen an anderen Orten im Universum leben. Entstand doch mit einem Male das Risiko der Selbstvernichtung, sei es durch bewusstes verantwortungsloses Handeln oder ungewollte Selbstauslöschung infolge technischer Defekte. Während des Kalten Krieges stand die Welt schon mehrfach vor dem Abgrund. Ein Umstand, der bis heute in seiner Gefahr nicht nachgelassen hat und den mittlerweile viele Wissenschaftler wie der verstorbene Physiker Steven Hawking als die Hauptgefährdung technologisch fortgeschrittener Intelligenzen im Universum ansehen.
Also sprach Zarathustra: Neuer Lebensraum auf dem Mars!?
Denkbar wäre es. Denn im Gegensatz zu anderen Planeten unseres Sonnensystems hat der Mars seine Vorzüge. Anders als auf der Venus oder dem Merkur, den beiden nächsten Planeten zur Sonne, ist es auf der Marsoberfläche nicht 250 Grad heiß, so dass Blei sofort schmilzt. Ja, verglichen mit den beiden sonnennächsten Planeten ist der Mars geradezu ein Ort der Sommerfrische bei angenehmen 20 Grad Höchsttemperatur, die sich aber auch je nach Aufenthaltsort, Tages- und Jahreszeit bis zu minus 80 Grad abkühlen können. Zudem verfügt der Mars über einen weiteren großen Vorzug: Er besitzt eine feste Oberfläche statt nur einer reinen Gashülle, wie der Saturn oder der Jupiter. Und nicht zu vergessen: An den Polkappen des Mars ist Wasser gefunden worden! Die Grundlage allen Lebens. Zumindest wie wir es kennen.
Allerdings fehlt es auf dem Mars für uns Menschen noch an der nötigen Atmosphäre. Der Luftdruck ist um mehr als 100 Prozent geringer als auf der Erde, ohne den Schutz eines Raumanzugs könnte man nicht überleben. Zudem besteht die Luft zu 95 Prozent aus giftigem Kohlendioxid. Doch auch diese Probleme ließen sich theoretisch mittelfristig bewältigen. Schon 1984 schlug der Chemiker James Lovelock vor, auf künstlichem Wege PFCs in die Mars-Atmosphäre einzuleiten, um den Planeten zu erwärmen. Nach seinen Berechnungen wäre es dann möglich, die Temperatur innerhalb von einhundert Jahren um ca. 20 Grad zu erhöhen, also von derzeit durchschnittlich minus 63 Grad auf „angenehmere“ minus 40 Grad. Das wurde der Anfang einer neuen theoretischen Wissenschaft, des Terraforming, bei der man über Veränderung von Lebensbedingungen auf Planeten nachdenkt, bis hin zu konkreten Eingriffen, die es ermöglichen sollen, auf lebensfeindlichen Planeten Vorgänge in Gang zu setzen, die sie ergrünen ließen und eines Tages eine für den Menschen lebensfähige Atmosphäre zu schaffen.
Terraforming auf dem Mars
Unser Wissen von den Bedingungen auf anderen Planeten wie dem Mars ist noch recht ungenau und wächst erst allmählich. Der 2012 auf dem Mars gelandete Mars-Rover „Curiosity“ hat mit seinen Messungen zu einigen neuen Erkenntnissen über die Strahlenbelastung beigetragen. So weiß man seitdem, dass die kosmische Strahlung auf dem Mars nicht einheitlich ist. Durch unregelmäßig auftretende Sonnenstürme kann sie stark ansteigen. Obgleich die Entfernung des Mars von der Sonne noch einmal um die Hälfte größer ist als die Entfernung von der Erde, ist die Sonnenstrahlung auf dem Mars bereits etwa hundert Mal stärker. Der Grund dafür ist, dass der rote Planet über kein starkes zusammenhängendes Magnetfeld mehr verfügt, das ihn vor der Strahlung der Sonne schützen könnte, ebensowenig wie der Mond. Theoretische Überlegungen, ein Magnetfeld auf dem Mars künstlich zu schaffen, sind in der praktischen Umsetzbarkeit noch wenig ausgereift; sie wären ein bedeutender Durchbruch im Bereich des Terraformings, den Planeten für Menschen bewohnbar zu machen und aus dem roten Planeten eines Tages vielleicht einen grünen zu machen.
Schäden durch die kosmische Strahlung sind auch durch die lange Reisezeit der Kolonisten zum Mars möglich, so würde der Flug zum durchschnittlich 70 Millionen Kilometer entfernten Zielort etwa gut sieben Monate dauern. Die auf der erdnahen Weltraumstation ISS gemachten Erfahrungen lassen sich dabei nur bedingt auf den Flug zum Mars übertragen. Zudem ist nicht außer Acht zu lassen, dass sich bei Astronauten in der Schwerelosigkeit rapide Muskeln und Knochen abbauen. Würde dem Muskel- und Knochenabbau nicht durch gezieltes Training auf dem Flug entgegengewirkt, könnte der Wiedereintritt in die Gravitation des Mars zu einem sofortigen Kreislaufkollaps der Astronauten führen.
Hinzu kommt, dass die Frage des Anbaus von Lebensmitteln für die ersten Marskolonisten in Treibhäusern unter Bedingungen wie sie auf dem Mars herrschen, noch nicht genügend erforscht sind. Doch Forscherteams arbeiten intensiv an Lösungsmöglichkeiten, wie auf dem wüstenähnlichen Marsboden Pflanzen gezüchtet werden könnten. Der Film „Der Marsianer — Rettet Mark Watney“ ist also gar nicht so weit von der Realität entfernt, wie es scheint. Ein erster Erfolg wurde bisher von der NASA bekannt gegeben, der es in Experimenten gelungen ist, Pflanzen auf Mondboden zu züchten. Damit noch nicht genug: Ein wohl noch größerer technologischer Durchbruch wurde durch den im April 2021 auf dem Mars gelandeten NASA Rover „Perseverance“ erzielt. Einer vom Rover mitgeführten Apparatur von der Größe einer Autobatterie gelang es, Sauerstoff aus der Atmosphäre eines fremden Planeten zu gewinnen Innerhalb einer Stunde wurden durch die Aufspaltung von Kohlendioxid fünf Gramm Sauerstoff hergestellt. Das erscheint auf den ersten Anschein nicht viel, ist aber ausreichend, um einen Astronauten auf dem Mars für zehn Minuten mit ausreichend Atemluft zu versorgen. Das gelungene Experiment wird von NASA-Wissenschaftlern als Meilenstein zu einer Technologie gesehen, die es zukünftigen bemannten Missionen erlauben könnte, von den Ressourcen des Planeten zu leben. Der gewonnene Sauerstoff wurde in die Marsatmosphäre freigegeben. Vielleicht der erste kleine Schritt auf dem langen Weg eines erfolgreichen Terraformings auf dem Mars.
Zufällige Mutationen oder gezielte Gentechnik?
Diese Erfolge könnten womöglich den einen oder anderen ermutigen, sein Leben der Erkundung und Besiedlung fremder Planeten zu widmen. Doch man sollte sich nicht täuschen: Mit welchen technologischen Spitzenleistungen der Wissenschaft auch immer der Weg frei gemacht wird, um zur ersten multi-planetaren Spezies zu werden, auf dem Mars wurde der Homo sapiens doch unweigerlich erst einmal wieder zu seinen einfachsten Anfängen zurückkehren müssen: Als Höhlenmensch, der in einer ähnlich feindlichen Umgebung wie der steinzeitliche Neandertaler unaufhörlich um sein nacktes Überleben kämpfen muss. Einen recht realistischen Eindruck von den Schwierigkeiten, mit denen es die ersten Siedler auf dem Mars zu tun haben würden, vermittelt die National-Geographic-Serie Mars. Ob in selbst geschaffenen Schutzorten oder durch modernste Technik verstärkte natürliche Höhlen auf dem roten Planeten, jedes menschliche Leben auf dem Mars wäre erst einmal abgeschottet von der lebensfeindlichen Außenwelt notwendig, um die ersten Generationen künftiger Marssiedler vor tödlicher kosmischer Strahlung zu schützen.
Zumindest solange, bis gentechnische Veränderungen des menschlichen Erbgutes spätere Generationen vor der lebensfeindlichen Außenwelt zu schützen vermögen. Selbst wenn es immer gelingen würde, Menschen so gut vor der kosmischen Strahlung zu schützen, dass sie nicht sofort tödlich wirkt, sind doch langfristige kleinere Schäden im Erbgut nicht auszuschließen. Wie solche Mutationen sich auswirken würden, kann gegenwärtig niemand mit Bestimmtheit sagen. Gewiss aber ist, dass die Mars-Kolonisten sich durch die gänzlich anderen Lebensbedingungen auf dem Mars früher oder später deutlich von den Bewohnern des Heimatplaneten unterscheiden dürften. Die andere denkbare Möglichkeit wäre, man überließe genetische Veränderung erst gar nicht dem Zufall sondern versuchte, durch gezielte Veränderungen des menschlichen Erbguts die Siedler an die neuen Lebensbedingungen auf dem Mars anzupassen. Eine erste denkbare genetische Blaupause für die Gefahr des Krebstodes durch kosmische Strahlung könnte möglicherweise das Genom des Nacktmulls bieten, eine in den Wüstengebieten Ostafrikas beheimatete, maulwurfartig lebende Nagetierart. Denn anders als alle anderen Nagetierarten kennt er keine Krebserkrankungen. Auch ist diese Tierart vollkommen schmerzunempfindlich und verfügt über eine weitere einmalige Fähigkeit unter Säugetieren: Wird für den Nacktmull der Sauerstoff knapp, kann er seinen Organismus soweit herunterfahren, dass er für bis zu 18 Minuten ohne Sauerstoff auskommt. So hat diese Tierart bereits das weltweite Interesse von Genetikern und Biotechnologen auf sich gezogen. Ermutigend hierbei wäre, dass es schon heute möglich ist, artfremde Gene ins Erbmaterial einer Spezies einzufügen, was eines Tages im Erfolgsfall auch die Lebensqualität der Menschen verändern dürfte, die sich nicht zur Besiedelung fremder Planeten berufen fühlen.
Zuvor sind allerdings noch zahlreiche ethische Fragen zu klären: Soll man den Menschen genetisch von seiner biologischen Konstitution den Gegebenheiten anderer Planeten anpassen? Wie würden sich die Veränderungen langfristig auswirken? Möglich wäre auch, ihn nicht nur als schmerzunempfindliches Wesen emotional neu zu schaffen. Man könnte ihn als Mischwesen aus Mensch und Computer auch in seiner Intelligenz so verändern, dass eine Art „Übermensch“ entsteht. Dann träte vielleicht der neue Menschentyp des Mars in Konkurrenz zum alten Menschentyp der Erde. Fragen wie diese könnten vielleicht eines Tages in fernen Laboren auf dem Mars beantwortet werden. So würde das Projekt eines Elon Musk, den Menschen zu einer multi-planetaren Spezies zu erheben, zugleich auch das Ende des Homo sapiens beschleunigen, — zumindest so wie wir ihn heute kennen.
-MCK-