Musk möch­te Mars kolo­nia­li­sie­ren — Ist Pla­ne­ten­be­sie­de­lung möglich?

Foto: simisi1 @pixabay

Wer hat Angst vor weit in die Zukunft reichenden Visionen? Ganz sicher nicht Elon Musk. „Das Leben ist mehr, als nur jeden Tag Probleme zu lösen. Man sollte jeden Tag aufwachen und inspiriert sein, Neues zu wagen“, so der Tesla-Gründer und Multimilliardär, der in seinem Bemühen, die Grenzen zwischen Realität und Vision zu verschieben, bereits mit Leonardo da Vinci verglichen wird. Die Menschheit wäre gut beraten, so Musk, eine multi-planetare Spezies zu werden.

Wie das mög­lich sein soll? Durch die Besied­lung des Mars! „Das wird ein groß­ar­ti­ges Aben­teu­er“, meint Elon Musk zu sei­nen Plä­nen, durch sein Welt­raum­un­ter­neh­men Space X ab Mit­te die­ses Jahr­zehnts Men­schen auf den Mars zu schi­cken. Inter­es­sen­ten dafür haben sich bereits gefun­den, die bereit sind, die Erde zu ver­las­sen und die Rei­se zum roten Pla­ne­ten ohne Rück­kehr anzu­tre­ten. Mars­mis­sio­nen wer­den bereits in Wüs­ten­re­gio­nen auf der Erde simu­liert, — und nicht nur auf Initia­ti­ve von Musk.

War­um soll­te der Mensch eine mul­ti-pla­ne­ta­re Spe­zi­es werden?

„Ich beschwö­re Euch, mei­ne Brü­der, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, die Euch von über­ir­di­schen Hoff­nun­gen reden. Gift­mi­scher sind es, ob sie es wis­sen oder nicht“, schrieb der Phi­lo­soph Fried­rich Nietz­sche in sei­nem Werk „Zara­thus­tra”. Nach dem Stand der Wis­sen­schaft und Tech­nik im aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert sprach in der Tat nicht wenig für Nietz­sches Sicht­wei­se. Auch heu­te noch sind die Schwie­rig­kei­ten und Her­aus­for­de­run­gen gewal­tig, die zu bewäl­ti­gen wären, den Homo sapi­ens zu einer mul­ti-pla­ne­ta­ren Spe­zi­es wer­den zu las­sen. Eines aber hat sich seit den Tagen Nietz­sches ent­schei­dend ver­än­dert: Mit dem Ein­tritt ins ato­ma­re Zeit­al­ter ist die Not­wen­dig­keit um ein Viel­fa­ches gewach­sen, in abseh­ba­rer Zeit eine Lösung der Pro­ble­me zu fin­den, die es bis­lang schwer vor­stell­bar mach­ten, dass Men­schen an ande­ren Orten im Uni­ver­sum leben. Ent­stand doch mit einem Male das Risi­ko der Selbst­ver­nich­tung, sei es durch bewuss­tes ver­ant­wor­tungs­lo­ses Han­deln oder unge­woll­te Selbst­aus­lö­schung infol­ge tech­ni­scher Defek­te. Wäh­rend des Kal­ten Krie­ges stand die Welt schon mehr­fach vor dem Abgrund. Ein Umstand, der bis heu­te in sei­ner Gefahr nicht nach­ge­las­sen hat und den mitt­ler­wei­le vie­le Wis­sen­schaft­ler wie der ver­stor­be­ne Phy­si­ker Ste­ven Haw­king als die Haupt­ge­fähr­dung tech­no­lo­gisch fort­ge­schrit­te­ner Intel­li­gen­zen im Uni­ver­sum ansehen.

Foto: Wiki­I­mages @pixabay

Also sprach Zara­thus­tra: Neu­er Lebens­raum auf dem Mars!?

Denk­bar wäre es. Denn im Gegen­satz zu ande­ren Pla­ne­ten unse­res Son­nen­sys­tems hat der Mars sei­ne Vor­zü­ge. Anders als auf der Venus oder dem Mer­kur, den bei­den nächs­ten Pla­ne­ten zur Son­ne, ist es auf der Mars­ober­flä­che nicht 250 Grad heiß, so dass Blei sofort schmilzt. Ja, ver­gli­chen mit den bei­den son­nen­nächs­ten Pla­ne­ten ist der Mars gera­de­zu ein Ort der Som­mer­fri­sche bei ange­neh­men 20 Grad Höchst­tem­pe­ra­tur, die sich aber auch je nach Auf­ent­halts­ort, Tages- und Jah­res­zeit bis zu minus 80 Grad abküh­len kön­nen. Zudem ver­fügt der Mars über einen wei­te­ren gro­ßen Vor­zug: Er besitzt eine fes­te Ober­flä­che statt nur einer rei­nen Gas­hül­le, wie der Saturn oder der Jupi­ter. Und nicht zu ver­ges­sen: An den Pol­kap­pen des Mars ist Was­ser gefun­den wor­den! Die Grund­la­ge allen Lebens. Zumin­dest wie wir es kennen.

Aller­dings fehlt es auf dem Mars für uns Men­schen noch an der nöti­gen Atmo­sphä­re. Der Luft­druck ist um mehr als 100 Pro­zent gerin­ger als auf der Erde, ohne den Schutz eines Raum­an­zugs könn­te man nicht über­le­ben. Zudem besteht die Luft zu 95 Pro­zent   aus gif­ti­gem Koh­len­di­oxid. Doch auch die­se Pro­ble­me lie­ßen sich theo­re­tisch mit­tel­fris­tig bewäl­ti­gen. Schon 1984 schlug der Che­mi­ker James Love­lock vor, auf künst­li­chem Wege PFCs in die Mars-Atmo­sphä­re ein­zu­lei­ten, um den Pla­ne­ten zu erwär­men. Nach sei­nen Berech­nun­gen wäre es dann mög­lich, die Tem­pe­ra­tur inner­halb von ein­hun­dert Jah­ren um ca. 20 Grad zu erhö­hen, also von der­zeit durch­schnitt­lich minus 63 Grad auf „ange­neh­me­re“ minus 40 Grad. Das wur­de der Anfang einer neu­en theo­re­ti­schen Wis­sen­schaft, des Ter­ra­forming, bei der man über Ver­än­de­rung von Lebens­be­din­gun­gen auf Pla­ne­ten nach­denkt, bis hin zu kon­kre­ten Ein­grif­fen, die es ermög­li­chen sol­len, auf lebens­feind­li­chen Pla­ne­ten Vor­gän­ge in Gang zu set­zen, die sie ergrü­nen lie­ßen und eines Tages eine für den Men­schen lebens­fä­hi­ge Atmo­sphä­re zu schaffen.

Ter­ra­forming auf dem Mars

Unser Wis­sen von den Bedin­gun­gen auf ande­ren Pla­ne­ten wie dem Mars ist noch recht unge­nau und wächst erst all­mäh­lich. Der 2012 auf dem Mars gelan­de­te Mars-Rover „Curio­si­ty“ hat mit sei­nen Mes­sun­gen zu eini­gen neu­en Erkennt­nis­sen über die Strah­len­be­las­tung bei­getra­gen. So weiß man seit­dem, dass die kos­mi­sche Strah­lung auf dem Mars nicht ein­heit­lich ist. Durch unre­gel­mä­ßig auf­tre­ten­de Son­nen­stür­me kann sie stark anstei­gen. Obgleich die Ent­fer­nung des Mars von der Son­ne noch ein­mal um die Hälf­te grö­ßer ist als die Ent­fer­nung von der Erde, ist die Son­nen­strah­lung auf dem Mars bereits etwa hun­dert Mal stär­ker. Der Grund dafür ist, dass der rote Pla­net über kein star­kes zusam­men­hän­gen­des Magnet­feld mehr ver­fügt, das ihn vor der Strah­lung der Son­ne schüt­zen könn­te, eben­so­we­nig wie der Mond. Theo­re­ti­sche Über­le­gun­gen, ein Magnet­feld auf dem Mars künst­lich zu schaf­fen, sind in der prak­ti­schen Umsetz­bar­keit noch wenig aus­ge­reift; sie wären ein bedeu­ten­der Durch­bruch im Bereich des Ter­ra­formings, den Pla­ne­ten für Men­schen bewohn­bar zu machen und aus dem roten Pla­ne­ten eines Tages viel­leicht einen grü­nen zu machen. 

Schä­den durch die kos­mi­sche Strah­lung sind auch durch die lan­ge Rei­se­zeit der Kolo­nis­ten zum Mars mög­lich, so wür­de der Flug zum durch­schnitt­lich 70 Mil­lio­nen Kilo­me­ter ent­fern­ten Ziel­ort etwa gut sie­ben Mona­te dau­ern. Die auf der erd­na­hen Welt­raum­sta­ti­on ISS gemach­ten Erfah­run­gen las­sen sich dabei nur bedingt auf den Flug zum Mars über­tra­gen. Zudem ist nicht außer Acht zu las­sen, dass sich bei Astro­nau­ten in der Schwe­re­lo­sig­keit rapi­de Mus­keln und Kno­chen abbau­en. Wür­de dem Mus­kel- und Kno­chen­ab­bau nicht durch geziel­tes Trai­ning auf dem Flug ent­ge­gen­ge­wirkt, könn­te der Wie­der­ein­tritt in die Gra­vi­ta­ti­on des Mars zu einem sofor­ti­gen Kreis­lauf­kol­laps der Astro­nau­ten führen.

Hin­zu kommt, dass die Fra­ge des Anbaus von Lebens­mit­teln für die ers­ten Mars­ko­lo­nis­ten in Treib­häu­sern unter Bedin­gun­gen wie sie auf dem Mars herr­schen, noch nicht genü­gend erforscht sind. Doch For­scher­teams arbei­ten inten­siv an Lösungs­mög­lich­kei­ten, wie auf dem wüs­ten­ähn­li­chen Mars­bo­den Pflan­zen gezüch­tet wer­den könn­ten. Der Film „Der Mar­sia­ner — Ret­tet Mark Wat­ney“ ist also gar nicht so weit von der Rea­li­tät ent­fernt, wie es scheint. Ein ers­ter Erfolg wur­de bis­her von der NASA bekannt gege­ben, der es in Expe­ri­men­ten gelun­gen ist, Pflan­zen auf Mond­bo­den zu züch­ten. Damit noch nicht genug: Ein wohl noch grö­ße­rer tech­no­lo­gi­scher Durch­bruch wur­de durch den im April 2021 auf dem Mars gelan­de­ten NASA Rover „Per­se­ver­ance“ erzielt. Einer vom Rover mit­ge­führ­ten Appa­ra­tur von der Grö­ße einer Auto­bat­te­rie gelang es, Sau­er­stoff aus der Atmo­sphä­re eines frem­den Pla­ne­ten zu gewin­nen Inner­halb einer Stun­de wur­den durch die Auf­spal­tung von Koh­len­di­oxid fünf Gramm Sau­er­stoff her­ge­stellt. Das erscheint auf den ers­ten Anschein nicht viel, ist aber aus­rei­chend, um einen Astro­nau­ten auf dem Mars für zehn Minu­ten mit aus­rei­chend Atem­luft zu ver­sor­gen. Das gelun­ge­ne Expe­ri­ment wird von NASA-Wis­sen­schaft­lern als Mei­len­stein zu einer Tech­no­lo­gie gese­hen, die es zukünf­ti­gen bemann­ten Mis­sio­nen erlau­ben könn­te, von den Res­sour­cen des Pla­ne­ten zu leben. Der gewon­ne­ne Sau­er­stoff wur­de in die Mars­at­mo­sphä­re frei­ge­ge­ben. Viel­leicht der ers­te klei­ne Schritt auf dem lan­gen Weg eines erfolg­rei­chen Ter­ra­formings auf dem Mars.

Zufäl­li­ge Muta­tio­nen oder geziel­te Gentechnik?

Die­se Erfol­ge könn­ten womög­lich den einen oder ande­ren ermu­ti­gen, sein Leben der Erkun­dung und Besied­lung frem­der Pla­ne­ten zu wid­men. Doch man soll­te sich nicht täu­schen: Mit wel­chen tech­no­lo­gi­schen Spit­zen­leis­tun­gen der Wis­sen­schaft auch immer der Weg frei gemacht wird, um zur ers­ten mul­ti-pla­ne­ta­ren Spe­zi­es zu wer­den, auf dem Mars wur­de der Homo sapi­ens doch unwei­ger­lich erst ein­mal wie­der zu sei­nen ein­fachs­ten Anfän­gen zurück­keh­ren müs­sen: Als Höh­len­mensch, der in einer ähn­lich feind­li­chen Umge­bung wie der stein­zeit­li­che Nean­der­ta­ler unauf­hör­lich um sein nack­tes Über­le­ben kämp­fen muss. Einen recht rea­lis­ti­schen Ein­druck von den Schwie­rig­kei­ten, mit denen es die ers­ten Sied­ler auf dem Mars zu tun haben wür­den, ver­mit­telt die Natio­nal-Geo­gra­phic-Serie Mars. Ob in selbst geschaf­fe­nen Schutz­or­ten oder durch moderns­te Tech­nik ver­stärk­te natür­li­che Höh­len auf dem roten Pla­ne­ten, jedes mensch­li­che Leben auf dem Mars wäre erst ein­mal abge­schot­tet von der lebens­feind­li­chen Außen­welt not­wen­dig, um die ers­ten Gene­ra­tio­nen künf­ti­ger Mars­sied­ler vor töd­li­cher kos­mi­scher Strah­lung zu schützen.

Zumin­dest solan­ge, bis gen­tech­ni­sche Ver­än­de­run­gen des mensch­li­chen Erb­gu­tes spä­te­re Gene­ra­tio­nen vor der lebens­feind­li­chen Außen­welt zu schüt­zen ver­mö­gen. Selbst wenn es immer gelin­gen wür­de, Men­schen so gut vor der kos­mi­schen Strah­lung zu schüt­zen, dass sie nicht sofort töd­lich wirkt, sind doch lang­fris­ti­ge klei­ne­re Schä­den im Erb­gut nicht aus­zu­schlie­ßen. Wie sol­che Muta­tio­nen sich aus­wir­ken wür­den, kann gegen­wär­tig nie­mand mit Bestimmt­heit sagen. Gewiss aber ist, dass die Mars-Kolo­nis­ten sich durch die gänz­lich ande­ren Lebens­be­din­gun­gen auf dem Mars frü­her oder spä­ter deut­lich von den Bewoh­nern des Hei­mat­pla­ne­ten unter­schei­den dürf­ten. Die ande­re denk­ba­re Mög­lich­keit wäre, man über­lie­ße gene­ti­sche Ver­än­de­rung erst gar nicht dem Zufall son­dern ver­such­te, durch geziel­te Ver­än­de­run­gen des mensch­li­chen Erb­guts die Sied­ler an die neu­en Lebens­be­din­gun­gen auf dem Mars anzu­pas­sen. Eine ers­te denk­ba­re gene­ti­sche Blau­pau­se für die Gefahr des Krebs­to­des durch kos­mi­sche Strah­lung könn­te mög­li­cher­wei­se das Genom des Nackt­mulls bie­ten, eine in den Wüs­ten­ge­bie­ten Ost­afri­kas behei­ma­te­te, maul­wurf­ar­tig leben­de Nage­tier­art. Denn anders als alle ande­ren Nage­tier­ar­ten kennt er kei­ne Krebs­er­kran­kun­gen. Auch ist die­se Tier­art voll­kom­men schmerz­un­emp­find­lich und ver­fügt über eine wei­te­re ein­ma­li­ge Fähig­keit unter Säu­ge­tie­ren: Wird für den Nackt­mull der Sau­er­stoff knapp, kann er sei­nen Orga­nis­mus soweit her­un­ter­fah­ren, dass er für bis zu 18 Minu­ten ohne Sau­er­stoff aus­kommt. So hat die­se Tier­art bereits das welt­wei­te Inter­es­se von Gene­ti­kern und Bio­tech­no­lo­gen auf sich gezo­gen. Ermu­ti­gend hier­bei wäre, dass es schon heu­te mög­lich ist, art­frem­de Gene ins Erb­ma­te­ri­al einer Spe­zi­es ein­zu­fü­gen, was eines Tages im Erfolgs­fall auch die Lebens­qua­li­tät der Men­schen ver­än­dern dürf­te, die sich nicht zur Besie­de­lung frem­der Pla­ne­ten beru­fen fühlen.

Zuvor sind aller­dings noch zahl­rei­che ethi­sche Fra­gen zu klä­ren: Soll man den Men­schen gene­tisch von sei­ner bio­lo­gi­schen Kon­sti­tu­ti­on den Gege­ben­hei­ten ande­rer Pla­ne­ten anpas­sen?  Wie wür­den sich die Ver­än­de­run­gen lang­fris­tig aus­wir­ken? Mög­lich wäre auch, ihn nicht nur als schmerz­un­emp­find­li­ches Wesen emo­tio­nal neu zu schaf­fen. Man könn­te ihn als Misch­we­sen aus Mensch und Com­pu­ter auch in sei­ner Intel­li­genz so ver­än­dern, dass eine Art „Über­mensch“ ent­steht. Dann trä­te viel­leicht der neue Men­schen­typ des Mars in Kon­kur­renz zum alten Men­schen­typ der Erde. Fra­gen wie die­se könn­ten viel­leicht eines Tages in fer­nen Labo­ren auf dem Mars beant­wor­tet wer­den. So wür­de das Pro­jekt eines Elon Musk, den Men­schen zu einer mul­ti-pla­ne­ta­ren Spe­zi­es zu erhe­ben, zugleich auch das Ende des Homo sapi­ens beschleu­ni­gen, — zumin­dest so wie wir ihn heu­te kennen.

-MCK-

Weitere Themen