Was sind die staat­li­chen Gewalten?

Allegorie Guter und schlechter Herrscher im Rathaus von Siena @wikipedia

Staat zu machen, ist nicht ganz einfach. Um ein funktionierendes Staatswesen aufzubauen, braucht es eine Ordnung. Jeder Staat definiert sich dabei zuvorderst durch drei Charakteristika: Ein Staatsvolk, ein spezifisches Staatsgebiet und die auf seinem Gebiet ausgeübte staatliche Gewalt. Nur wenn alle diese Elemente zusammenkommen, kann man davon reden, dass ein Staat entstanden ist. Dies ging historisch betrachtet nie auf ganz friedliche Weise.

Ist ein Staat aber erst ein­mal geschaf­fen, gin­gen die Bestre­bun­gen — mal frü­her, mal spä­ter — dahin, jed­we­de Gewalt aus der Gesell­schaft zu ver­ban­nen und allei­ne auf den Staat zu beschrän­ken. Anders gesagt: Der staat­li­chen Gewalt allein wur­de ein Mono­pol zuge­spro­chen. So soll­te Ord­nung und zivil­ge­sell­schaft­li­che Sicher­heit für jeden gewähr­leis­tet wer­den. Aus der Erfah­rung wäh­rend der Völ­ker­wan­de­rung, des Ver­falls der Staa­ten der anti­ken Welt, des Erleb­nis­ses von Gewalt und Zivi­li­sa­ti­ons­bruch, die wie ein Rück­fall in den vor­staat­li­chen Natur­zu­stand des „Kamp­fes aller gegen alle“ ange­se­hen wur­den, trat die Not­wen­dig­keit her­vor, jede als legi­tim ange­se­he­ne Gewalt nur dem Staat zuzu­bil­li­gen. Doch was genau sind nun die staat­li­chen Gewal­ten? 

„Der Staat bin ich

Im Mit­tel­al­ter ver­ein­te der mon­ar­chi­sche Herr­scher alle staat­li­che Gewalt auf sei­ne Per­son. Bera­ten durch sei­ne Minis­ter war er in einer Per­son sowohl Gesetz­ge­ber als auch obers­ter Gerichts­herr. Zudem war er in der Aus­füh­rung aller Ent­schei­dun­gen obers­te Instanz, indem er die Streit- und Sicher­heits­kräf­te und Behör­den befeh­lig­te. In der­art abso­lu­tis­ti­schen Zei­ten konn­te der fran­zö­si­sche König Lud­wig XIV. von sich mit Fug und Recht behaup­ten: „Der Staat bin ich“.

So zufrie­den man einer­seits über die dau­er­haf­te Wie­der­her­stel­lung von Sicher­heit und Ord­nung war, so schnell erkann­te man ande­rer­seits, dass das Wohl­erge­hen aller vom Cha­rak­ter und der Per­sön­lich­keit eines Ein­zel­nen abhän­gig war. War die Per­son, die an der Spit­ze des Königs­hau­ses stand, für die Auf­ga­be geeig­net, flo­rier­te der Staat.

Alle­go­rie Guter und schlech­ter Herr­scher im Rat­haus von Sie­na @wikipedia

War die Per­son grau­sam und unge­recht, litt das Staats­we­sen. Wer immer einem des­po­ti­schen Herr­scher in irgend­ei­ner Wei­se nicht gefiel, konn­te ver­haf­tet, gefol­tert und getö­tet wer­den, ohne dass sich das Opfer herr­schaft­li­cher Gewalt auf irgend­wel­che Rech­te beru­fen konn­te. Im Lau­fe der Zeit such­ten die Staats­bür­ger der Will­kür des könig­li­chen Sou­ve­räns daher Schran­ken zu set­zen. Mei­len­stei­ne auf die­sem Weg waren die Frei­heits- und Grund­rech­te, wel­che Herr­scher ihren Unter­ta­nen schrift­lich garan­tier­ten. So in der Magna Char­ta 1215, der Habe­as-Cor­pus-Akte 1679 in Eng­land und der Bill of Rights 1789 in Ame­ri­ka. Aus die­sen Rech­ten ent­wi­ckel­ten sich die heu­ti­gen Grund- und Men­schen­rech­te. Dies war ein lan­ger Weg, auf dem man nach einer beherrsch­ba­ren Zäh­mung der staat­li­chen Gewal­ten in den Hän­den eines Ein­zel­nen such­te. Eine wesent­li­che Kri­tik ziel­te dar­auf, dass es in mon­ar­chi­schen Zei­ten wenig Mög­lich­kei­ten gab, die Gewalt des Herr­schers zu begren­zen. Wie soll­te man das bewerkstelligen?

Gewal­ten­tei­lung soll Tyran­nei verhindern

Eine Lösung wur­de im 18. Jahr­hun­derts gefun­den. Die staat­li­chen Gewal­ten soll­ten sich gegen­sei­tig kon­trol­lie­ren! Tei­le, lau­te­te der dahin­ter­ste­he Gedan­ke, und beherr­sche so das Risi­ko der Tyran­nei. Es war der fran­zö­si­sche Staats­recht­ler Mon­tes­quieu (1689–1755), der davon aus­ging, dass die Frei­heit des Ein­zel­nen nur dann vor­han­den sei, wenn die staat­li­chen Gewal­ten von­ein­an­der getrennt sind und sich gegen­sei­tig kon­trol­lie­ren. Die drei Gewal­ten, die idea­ler­wei­se unab­hän­gig von­ein­an­der in einem Staat exis­tie­ren soll­ten, wur­den von ihm so benannt: die Legis­la­ti­ve (die gesetz­ge­ben­de Gewalt), die Judi­ka­ti­ve (die Recht spre­chen­de Gewalt) und die Exe­ku­ti­ve (die voll­zie­hen­de Gewalt). Die­ser Gedan­ke setz­te sich im Lau­fe der Geschich­te durch. Dafür bedurf­te es Refor­men und Revo­lu­tio­nen. Auf sei­ner Grund­la­ge aber sind heu­te die staat­li­chen Gewal­ten in den demo­kra­ti­schen Staa­ten auf­ge­baut. Bereits die Set­zung von Recht wird dabei als legi­ti­me Gewalt, im Sin­ne von Herr­schaft, ange­se­hen. Eben­so ihre Ein­hal­tung. Dies geschieht nicht will­kür­lich, son­dern auf demo­kra­ti­schem Wege über Wah­len. Die Reprä­sen­tan­ten des Vol­kes kom­men im Par­la­ment (der Legis­la­ti­ve) zusam­men. Auf der Ebe­ne der deut­schen Bun­des­län­der gehö­ren zu ihr die Land­ta­ge bzw. Sena­te in den Stadt­staa­ten; auf Ebe­ne des Bun­des sind es der Bun­des­tag und der Bun­des­rat. Ihre obers­te Auf­ga­be ist die Gesetz­ge­bung sowie die Über­wa­chung der von der Mehr­heit des Par­la­ments gewähl­ten und getra­ge­nen Regie­rung. Der Regie­rung (Exe­ku­ti­ve) ist die Aus­füh­rung der Geset­ze anver­traut. Ihr unter­ste­hen die öffent­li­che Ver­wal­tung, die Poli­zei und die Armee. Alle die­se Insti­tu­tio­nen haben sich an die gege­be­nen Geset­ze zu hal­ten. Auch hier gilt das staat­li­che Gewalt­mo­no­pol. Das bedeu­tet, das ande­re Gesetz­ge­ber oder Gerich­te, etwa reli­giö­ser Art, vom Staat auf sei­nem Ter­ri­to­ri­um nicht gedul­det wer­den. Nur die vom Par­la­ment ver­ab­schie­de­ten Geset­ze schrei­ben den Rich­tern, der drit­ten hier genann­ten staat­li­chen Gewalt vor, was rich­tig und falsch ist. Staat­li­che Gerich­te sind die obers­te Instanz in der recht­mä­ßi­gen Aus­le­gung und Anwen­dung der Geset­ze. Die obers­ten Bun­des­ge­rich­te sind in Deutsch­land das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt (Karls­ru­he), der Bun­des­ge­richts­hof, das Bun­des­so­zi­al­ge­richt (Kas­sel) und das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt (Leip­zig). Durch die so orga­ni­sier­te Tei­lung der staat­li­chen Gewal­ten wird ange­strebt, ein Staats­we­sen zu schaf­fen, das frei von Will­kür und Tyran­nei ist, auf ein­klag­ba­ren rechts­staat­li­chen Prin­zi­pi­en beruht, allen Sicher­heit bie­tet und zugleich jedem Ein­zel­nen die mög­lichst größ­ten Frei­hei­ten einräumt.

 

MCK

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