Konventionelle Landwirtschaft in der Kritik
Seit langem steht die konventionelle Landwirtschaft in einem schlechten Licht da. Zu viele Pestizide werden verwendet, um die angebauten Pflanzen vor Pilz- und Insektenbefall zu schützen, zu viel an Düngemitteln, die das Grundwasser belasten, zu viele gesundheitsschädliche Antibiotika und Wachstumshormone, um die Fleischproduktion zu steigern, so der weit verbreitete Vorwurf gegenüber der industrialisierten Landwirtschaft. Zu Schaden gekommen seien die Umwelt, die Artenvielfalt und das Tierwohl in den Ställen. Ganz von der Hand zu weisen ist diese Kritik nicht.
Doch vergessen wird dabei immer, dass es der Landwirtschaft in Deutschland wie in der ganzen Welt gelungen ist, eine beständig größer werdende Bevölkerung recht verlässlich zu ernähren und das weitgehend unabhängig von schwankenden Umweltfaktoren wie den einst zu schlimmen Hungersnöten führenden Ernteausfällen durch das Ausbleiben von Regen oder anderen Extremwetterereignissen. Wer einen Blick in die Geschichtsbücher wirft, findet verheerende Hungersnöte nahezu durch alle Epochen hindurch. Auch heute ist der Hunger noch nicht aus der Welt geschafft. Es leben immer noch 800 Millionen Menschen am Rande eines prekären Existenzminimums, das ihnen oftmals nur eine Mahlzeit am Tag ermöglicht. Doch im Gegensatz zu früheren Epochen ist dies nicht eine unvermeidliche Tragödie, sondern vielfach das Resultat staatlichen Versagens, ein durch Bürgerkriege und Unruhen verursachtes Verteilungsproblem. In den letzten Jahrzehnten ist es gelungen, weltweit Millionen Hungernde aus ihrer Not herauszuholen. Die moderne Landwirtschaft hat dazu viel beigetragen; hauptsächlich durch die Mechanisierung der Produktionsmittel, durch Fortschritte in der Entwicklung von Düngemitteln wie auch durch den Einsatz ertragsstärkerer Pflanzensorten.
In Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, sind dies Vorzüge, die nicht zu unterschätzen sind. Dies umso mehr, als die „Kornkammer“ Europas, die Ukraine, durch den Überfall Russlands als Weizen-Exporteur auszufallen droht. Hinzu kommt, dass Russland als weltweit größter Exporteur von Getreide einen Lieferstopp verhängt hat. Unmittelbar betroffen davon sind bereits jetzt viele Länder in Afrika, der arabischen Welt oder in Südostasien, in denen die Brotpreise sich in den vergangenen Monaten stark erhöht haben und für viel Arme drohen, unerschwinglich zu werden. Hungerrevolten wie auch neue Migrationsströme sind zu befürchten. Aber auch in Deutschland ist zukünftig mit einem weiteren Anstieg der Lebensmittelpreise zu rechnen.
Lässt sich die Welt mit ökologischer Landwirtschaft ernähren?
Die Erzeuger biologisch hergestellter Produkte müssen sich an eine Vielzahl von Auflagen und Vorschriften halten. Dazu gehört, dass sie keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel und nur leicht lösliche mineralische Düngemittel verwenden dürfen. Dafür werden der Anbau wenig anfälliger Sorten und abwechslungsreiche Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten gefördert. Weiterhin ist der Einsatz von Hormonen in der Tierzucht nicht zulässig. Auch ein weitgehender Verzicht auf Antibiotika in der Tierhaltung wird penibel eingefordert. Und schließlich wird den Tieren in der biologischen Landwirtschaft mehr Platz in den Ställen zugesprochen, wenn idealerweise eine Weidehaltung unter freiem Himmel nicht möglich ist. Dies führt dazu, dass die Erträge in der ökologischen Landwirtschaft insgesamt zu einem Drittel bis zur Hälfte geringer ausfallen als in der konventionellen Landwirtschaft.
Doch nicht nur dies: Die Umstellung auf eine biologische zertifizierte Produktionsweise erfordert von den Landwirten zusätzliche Investitionen und einen höheren Arbeitsaufwand, der sich zwangsläufig im Preis niederschlägt. Zusätzlich ist zu bedenken, dass mit jedem Quadratmeter, der in Deutschland aus der konventionellen Landwirtschaft fällt, die Ernteerträge sinken, die – angesichts des krisenbedingt weltweit gesunkenen Angebots an Getreide und Lebensmitteln – an anderen Stellen der Welt wieder ausgeglichen werden müssen, damit der Hunger an anderen Orten der Welt nicht weiter zunimmt. Ein neues moralisches Dilemma, dem sich die Befürworter der ökologischen Landwirtschaft stellen müssen. Denn mit den Methoden der ökologischen Landwirtschaft lässt sich gegenwärtig die Weltbevölkerung nicht ernähren.
Halten biologisch hergestellte Produkte, was sie versprechen?
Während bei konventionell angebauten Produkten keine höheren gesundheitlichen Belastungen für den Verbraucher festzustellen sind als bei ökologisch produzierten, etwa durch Rückstände von Pestiziden und Herbiziden, verfügen Fleischprodukte aus biologischem Anbau über einen unzweifelhaften Vorteil, der über ein psychologisches Moment weit hinausgeht. Denn der Verzicht auf Antibiotika und Wachstumshormone in der Tierhaltung macht sich letzten Endes in der Qualität der Produkte bemerkbar — aber ebenso sehr auch im Preis. Letztlich muss daher jeder preissensible Verbraucher diese Entscheidung für sich selbst treffen.
Hinzu kommt, dass diese Abwägung für oder gegen Bioprodukte vermutlich im Laufe der nächsten Monate stets aufs Neue getroffen werden muss. Denn angesichts fortlaufend steigender Energiepreise und der Auswirkungen des Ukraine-Krieges ist auch zukünftig mit deutlich steigenden Preisen für Lebensmittel wie für Energie zu rechnen.
Was sind die Gründe für den Anstieg der Lebensmittelpreise?
Ein Viertel der in der EU verwendeten Düngemittel stammen aus der Ukraine und aus Russland. Ihr Preis hat sich innerhalb der vergangenen zwölf Monate bereits um 350 Prozent erhöht. Und ein Ende dieser Preissteigerungen ist gegenwärtig nicht absehbar, da zu ihrer Herstellung große Mengen an Erdgas notwendig sind, das sich wiederum innerhalb der letzten Monate um 1000 Prozent im Preis erhöht hat. Aufgrund dessen haben Düngemittelproduzenten bereits ihre Werke geschlossen, nachdem ein Fortlaufen der Produktion für sie aktuell wirtschaftlich nicht mehr rentabel ist. Die der Landwirtschaft in Deutschland zur Verfügung stehenden Böden aber sind auf Düngemittel dringend angewiesen, damit die bisherigen Erträge beibehalten werden können. Und die Nachfrage nach Lebensmitteln nimmt weltweit beständig zu; insbesondere in den sogenannten Schwellenländern, in denen eine Mittelklasse entstanden ist, deren Angehörige es sich erstmals leisten können, ihren Speiseplan zu erweitern und öfter als jemals zuvor in der Woche Fleisch zu konsumieren.
Tipp: Wem es schwerfällt, angesichts steigender Preise für Benzin und Heizung persönlich zu einer dauerhaften Präferenz für Bioprodukte zu gelangen und bei jedem Einkauf von Fall zu Fall entscheiden muss, sollte bedenken: Auch Produkte, die nicht ausdrücklich mit einem Siegel als Bioware gekennzeichnet sind, können die gleichen Vorzüge bieten wie Produkte aus nachhaltigem biologischem Anbau. So sollte man immer darauf schauen, ob die Ware aus dem unmittelbaren regionalen Umfeld stammt oder aus dem Ausland. Da vielen heimischen Landwirten die aufwendigen Auflagen eines deutschen Biosiegels, seine Zertifizierung und die fortwährende Kontrolle ihrer nach biologischen Kriterien hergestellten Waren zu aufwendig sind, ist das Kriterium der Regionalität bedeutsam. Denn auch Produkte aus regionaler Produktion, selbst wenn sie nicht ausdrücklich als „Bio“ ausgewiesen sind, können formell ausgewiesenen Bioprodukten aus dem EU-Ausland qualitativ, geschmacklich und preislich überlegen sein. Zudem sind kurze Wege immer langen Lieferketten vorzuziehen. All dies könnte im Zweifelsfall ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
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