Sind Bio­pro­duk­te immer besser?

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Foto: silviarita @pixabay

Die biologische Landwirtschaft boomt. Infolge der monatelangen Schließung von Restaurants und Gaststätten im Corona-Lockdown wurde mangels anderer Alternativen zu Hause wieder mehr gekocht: Beim Einkauf im Supermarkt fiel die Wahl vieler Konsumenten vor dem Einkaufsregal dabei auf ökologisch angebaute Produkte - des Geschmacks wegen, aber auch als wohlgemeinter Beitrag zum Klima- und Artenschutz. Denn ökologisch angebaute Produkte versprechen den Einsatz weniger fossiler Energien und um mehr als 60 Prozent reduzierte Treibhausgas-Emissionen, die vor allem bei der Herstellung von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln anfallen, wie sie in der nicht ökologischen, konventionellen Landwirtschaft eingesetzt werden. Der Absatz ökologisch angebauter Produkte stieg in Corona-Zeiten daher deutlich an. In fast jedem Supermarkt haben sie seitdem ihren festen Platz im Sortiment. Doch sind die deutlichen Preisunterschiede zu konventionell angebauten Lebensmitteln wirklich gerechtfertigt?

Kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft in der Kritik

Seit lan­gem steht die kon­ven­tio­nel­le Land­wirt­schaft in einem schlech­ten Licht da. Zu vie­le Pes­ti­zi­de wer­den ver­wen­det, um die ange­bau­ten Pflan­zen vor Pilz- und Insek­ten­be­fall zu schüt­zen, zu viel an Dün­ge­mit­teln, die das Grund­was­ser belas­ten, zu vie­le gesund­heits­schäd­li­che Anti­bio­ti­ka und Wachs­tums­hor­mo­ne, um die Fleisch­pro­duk­ti­on zu stei­gern, so der weit ver­brei­te­te Vor­wurf gegen­über der indus­tria­li­sier­ten Land­wirt­schaft. Zu Scha­den gekom­men sei­en die Umwelt, die Arten­viel­falt und das Tier­wohl in den Stäl­len. Ganz von der Hand zu wei­sen ist die­se Kri­tik nicht. 

Doch ver­ges­sen wird dabei immer, dass es der Land­wirt­schaft in Deutsch­land wie in der gan­zen Welt gelun­gen ist, eine bestän­dig grö­ßer wer­den­de Bevöl­ke­rung recht ver­läss­lich zu ernäh­ren und das weit­ge­hend unab­hän­gig von schwan­ken­den Umwelt­fak­to­ren wie den einst zu schlim­men Hun­gers­nö­ten füh­ren­den Ern­te­aus­fäl­len durch das Aus­blei­ben von Regen oder ande­ren Extrem­wet­ter­er­eig­nis­sen. Wer einen Blick in die Geschichts­bü­cher wirft, fin­det ver­hee­ren­de Hun­gers­nö­te nahe­zu durch alle Epo­chen hin­durch. Auch heu­te ist der Hun­ger noch nicht aus der Welt geschafft. Es leben immer noch 800 Mil­lio­nen Men­schen am Ran­de eines pre­kä­ren Exis­tenz­mi­ni­mums, das ihnen oft­mals nur eine Mahl­zeit am Tag ermög­licht. Doch im Gegen­satz zu frü­he­ren Epo­chen ist dies nicht eine unver­meid­li­che Tra­gö­die, son­dern viel­fach das Resul­tat staat­li­chen Ver­sa­gens, ein durch Bür­ger­krie­ge und Unru­hen ver­ur­sach­tes Ver­tei­lungs­pro­blem. In den letz­ten Jahr­zehn­ten ist es gelun­gen, welt­weit Mil­lio­nen Hun­gern­de aus ihrer Not her­aus­zu­ho­len. Die moder­ne Land­wirt­schaft hat dazu viel bei­getra­gen; haupt­säch­lich durch die Mecha­ni­sie­rung der Pro­duk­ti­ons­mit­tel, durch Fort­schrit­te in der Ent­wick­lung von Dün­ge­mit­teln wie auch durch den Ein­satz ertrags­stär­ke­rer Pflan­zen­sor­ten. 

In Zei­ten, wie wir sie jetzt erle­ben, sind dies Vor­zü­ge, die nicht zu unter­schät­zen sind. Dies umso mehr, als die „Korn­kam­mer“ Euro­pas, die Ukrai­ne, durch den Über­fall Russ­lands als Wei­zen-Expor­teur aus­zu­fal­len droht. Hin­zu kommt, dass Russ­land als welt­weit größ­ter Expor­teur von Getrei­de einen Lie­fer­stopp ver­hängt hat. Unmit­tel­bar betrof­fen davon sind bereits jetzt vie­le Län­der in Afri­ka, der ara­bi­schen Welt oder in Süd­ost­asi­en, in denen die Brot­prei­se sich in den ver­gan­ge­nen Mona­ten stark erhöht haben und für viel Arme dro­hen, uner­schwing­lich zu wer­den. Hun­ger­re­vol­ten wie auch neue Migra­ti­ons­strö­me sind zu befürch­ten. Aber auch in Deutsch­land ist zukünf­tig mit einem wei­te­ren Anstieg der Lebens­mit­tel­prei­se zu rechnen.

Lässt sich die Welt mit öko­lo­gi­scher Land­wirt­schaft ernähren?

Die Erzeu­ger bio­lo­gisch her­ge­stell­ter Pro­duk­te müs­sen sich an eine Viel­zahl von Auf­la­gen und Vor­schrif­ten hal­ten. Dazu gehört, dass sie kei­ne che­misch-syn­the­ti­schen Pflan­zen­schutz­mit­tel und nur leicht lös­li­che mine­ra­li­sche Dün­ge­mit­tel ver­wen­den dür­fen. Dafür wer­den der Anbau wenig anfäl­li­ger Sor­ten und abwechs­lungs­rei­che Frucht­fol­gen mit Zwi­schen­früch­ten geför­dert. Wei­ter­hin ist der Ein­satz von Hor­mo­nen in der Tier­zucht nicht zuläs­sig. Auch ein weit­ge­hen­der Ver­zicht auf Anti­bio­ti­ka in der Tier­hal­tung wird peni­bel ein­ge­for­dert. Und schließ­lich wird den Tie­ren in der bio­lo­gi­schen Land­wirt­schaft mehr Platz in den Stäl­len zuge­spro­chen, wenn idea­ler­wei­se eine Wei­de­hal­tung unter frei­em Him­mel nicht mög­lich ist. Dies führt dazu, dass die Erträ­ge in der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft ins­ge­samt zu einem Drit­tel bis zur Hälf­te gerin­ger aus­fal­len als in der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft. 

Doch nicht nur dies: Die Umstel­lung auf eine bio­lo­gi­sche zer­ti­fi­zier­te Pro­duk­ti­ons­wei­se erfor­dert von den Land­wir­ten zusätz­li­che Inves­ti­tio­nen und einen höhe­ren Arbeits­auf­wand, der sich zwangs­läu­fig im Preis nie­der­schlägt. Zusätz­lich ist zu beden­ken, dass mit jedem Qua­drat­me­ter, der in Deutsch­land aus der kon­ven­tio­nel­len Land­wirt­schaft fällt, die Ern­te­er­trä­ge sin­ken, die – ange­sichts des kri­sen­be­dingt welt­weit gesun­ke­nen Ange­bots an Getrei­de und Lebens­mit­teln – an ande­ren Stel­len der Welt wie­der aus­ge­gli­chen wer­den müs­sen, damit der Hun­ger an ande­ren Orten der Welt nicht wei­ter zunimmt. Ein neu­es mora­li­sches Dilem­ma, dem sich die Befür­wor­ter der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft stel­len müs­sen. Denn mit den Metho­den der öko­lo­gi­schen Land­wirt­schaft lässt sich gegen­wär­tig die Welt­be­völ­ke­rung nicht ernähren.

Hal­ten bio­lo­gisch her­ge­stell­te Pro­duk­te, was sie versprechen?

Wäh­rend bei kon­ven­tio­nell ange­bau­ten Pro­duk­ten kei­ne höhe­ren gesund­heit­li­chen Belas­tun­gen für den Ver­brau­cher fest­zu­stel­len sind als bei öko­lo­gisch pro­du­zier­ten, etwa durch Rück­stän­de von Pes­ti­zi­den und Her­bi­zi­den, ver­fü­gen Fleisch­pro­duk­te aus bio­lo­gi­schem Anbau über einen unzwei­fel­haf­ten Vor­teil, der über ein psy­cho­lo­gi­sches Moment weit hin­aus­geht. Denn der Ver­zicht auf Anti­bio­ti­ka und Wachs­tums­hor­mo­ne in der Tier­hal­tung macht sich letz­ten Endes in der Qua­li­tät der Pro­duk­te bemerk­bar — aber eben­so sehr auch im Preis. Letzt­lich muss daher jeder preis­sen­si­ble Ver­brau­cher die­se Ent­schei­dung für sich selbst tref­fen. 

Hin­zu kommt, dass die­se Abwä­gung für oder gegen Bio­pro­duk­te ver­mut­lich im Lau­fe der nächs­ten Mona­te stets aufs Neue getrof­fen wer­den muss. Denn ange­sichts fort­lau­fend stei­gen­der Ener­gie­prei­se und der Aus­wir­kun­gen des Ukrai­ne-Krie­ges ist auch zukünf­tig mit deut­lich stei­gen­den Prei­sen für Lebens­mit­tel wie für Ener­gie zu rech­nen. 

 

Was sind die Grün­de für den Anstieg der Lebensmittelpreise?

Ein Vier­tel der in der EU ver­wen­de­ten Dün­ge­mit­tel stam­men aus der Ukrai­ne und aus Russ­land. Ihr Preis hat sich inner­halb der ver­gan­ge­nen zwölf Mona­te bereits um 350 Pro­zent erhöht. Und ein Ende die­ser Preis­stei­ge­run­gen ist gegen­wär­tig nicht abseh­bar, da zu ihrer Her­stel­lung gro­ße Men­gen an Erd­gas not­wen­dig sind, das sich wie­der­um inner­halb der letz­ten Mona­te um 1000 Pro­zent im Preis erhöht hat. Auf­grund des­sen haben Dün­ge­mit­tel­pro­du­zen­ten bereits ihre Wer­ke geschlos­sen, nach­dem ein Fort­lau­fen der Pro­duk­ti­on für sie aktu­ell wirt­schaft­lich nicht mehr ren­ta­bel ist. Die der Land­wirt­schaft in Deutsch­land zur Ver­fü­gung ste­hen­den Böden aber sind auf Dün­ge­mit­tel drin­gend ange­wie­sen, damit die bis­he­ri­gen Erträ­ge bei­be­hal­ten wer­den kön­nen. Und die Nach­fra­ge nach Lebens­mit­teln nimmt welt­weit bestän­dig zu; ins­be­son­de­re in den soge­nann­ten Schwel­len­län­dern, in denen eine Mit­tel­klas­se ent­stan­den ist, deren Ange­hö­ri­ge es sich erst­mals leis­ten kön­nen, ihren Spei­se­plan zu erwei­tern und öfter als jemals zuvor in der Woche Fleisch zu kon­su­mie­ren. 

 

Tipp: Wem es schwer­fällt, ange­sichts stei­gen­der Prei­se für Ben­zin und Hei­zung per­sön­lich zu einer dau­er­haf­ten Prä­fe­renz für Bio­pro­duk­te zu gelan­gen und bei jedem Ein­kauf von Fall zu Fall ent­schei­den muss, soll­te beden­ken: Auch Pro­duk­te, die nicht aus­drück­lich mit einem Sie­gel als Bio­wa­re gekenn­zeich­net sind, kön­nen die glei­chen Vor­zü­ge bie­ten wie Pro­duk­te aus nach­hal­ti­gem bio­lo­gi­schem Anbau. So soll­te man immer dar­auf schau­en, ob die Ware aus dem unmit­tel­ba­ren regio­na­len Umfeld stammt oder aus dem Aus­land. Da vie­len hei­mi­schen Land­wir­ten die auf­wen­di­gen Auf­la­gen eines deut­schen Bio­sie­gels, sei­ne Zer­ti­fi­zie­rung und die fort­wäh­ren­de Kon­trol­le ihrer nach bio­lo­gi­schen Kri­te­ri­en her­ge­stell­ten Waren zu auf­wen­dig sind, ist das Kri­te­ri­um der Regio­na­li­tät bedeut­sam. Denn auch Pro­duk­te aus regio­na­ler Pro­duk­ti­on, selbst wenn sie nicht aus­drück­lich als „Bio“ aus­ge­wie­sen sind, kön­nen for­mell aus­ge­wie­se­nen Bio­pro­duk­ten aus dem EU-Aus­land qua­li­ta­tiv, geschmack­lich und preis­lich über­le­gen sein. Zudem sind kur­ze Wege immer lan­gen Lie­fer­ket­ten vor­zu­zie­hen. All dies könn­te im Zwei­fels­fall ein unschlag­ba­res Preis-Leis­tungs-Ver­hält­nis bie­ten.  

-MCK-

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