Nach­hal­tig leben – von den Amish Peo­p­le lernen

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Das Thema Nachhaltigkeit ist in den vergangenen Jahrzehnten in westlichen Ländern immer wichtiger geworden. Doch es gibt Gemeinschaften, die dem Zauber des Kapitalismus und des technischen Fortschritts schon seit Jahrhunderten widerstehen – wie z. B. die Amischen. Und was für die meisten von uns einen ungeheuren Verzicht bedeuten würde, ist für die Amish People selbstverständlich.

Schau­en wir uns also die Amish Peo­p­le und ihren Lebens­stil ein wenig genau­er an – viel­leicht als klei­ne Ergän­zung zu „Rum­springa“, ihr Netflix-Junkies :-).

Wer sind die Amish People?

Die Ami­schen sind eine deutsch­stäm­mi­ge Glau­bens­ge­mein­schaft, die vor allem im mitt­le­ren Wes­ten der USA zu Hau­se ist. Sie leben nach bibli­schen Wer­ten und leh­nen die meis­ten tech­ni­schen und moder­nen Errun­gen­schaf­ten ab. Man kann sich dar­über strei­ten, ob das immer so erstre­bens­wert ist, wenn es z. B. um die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung geht. Wir wol­len hier aber nicht strei­ten, son­dern uns auf die nach­hal­ti­ge Lebens­wei­se der Ami­schen konzentrieren.

Inner­halb der Amish Peo­p­le gibt es ver­schie­de­ne Grup­pie­run­gen, deren Regeln und Prin­zi­pi­en sich oft stark von­ein­an­der unter­schei­den. Dar­über hin­aus gibt es die Gemein­schaft der Ami­schen Men­no­ni­ten, die all­ge­mein libe­ra­ler und somit auch moder­ner ist. Sie nut­zen mehr Tech­nik in ihrem All­tag, besin­nen sich aber trotz­dem auf tra­di­tio­nel­le Wer­te. So ist z. B. auch das Inter­net kein Bestand­teil des men­no­ni­ti­schen Alltags.

Fun fact: Schrift­li­che Auf­zeich­nun­gen wie Fami­li­en­stamm­bäu­me erset­zen bei­spiels­wei­se das Goo­geln von Personen.

 

Die Wer­te der Amish People

Schau­en wir uns kurz einen Teil der Prin­zi­pi­en an, nach denen vie­le Amish Peo­p­le leben. Natür­lich spielt Reli­gio­si­tät eine zen­tra­le Rol­le. Vie­le Wer­te der Ami­schen mögen auf ihrem Glau­ben beru­hen, haben aber auch unab­hän­gig davon ihre Daseins­be­rech­ti­gung und kön­nen zu einem glück­li­chen, ent­schleu­nig­ten und acht­sa­men Leben führen.

• Gemein­schaft

Bas­teln, Spie­len, Reden oder Haus­mu­sik – Haupt­sa­che zusam­men. Die Ami­schen ver­brin­gen viel Zeit mit­ein­an­der, ganz ohne Ablen­kun­gen durch Smart­phones oder Inter­net. Auch Par­tys fin­den oft gene­ra­ti­ons­über­grei­fend in der Gemein­schaft statt – und nicht in der Dis­co. Zen­tra­ler Bestand­teil sind Sin­gen, Tan­zen und Spie­le. Alko­hol, Tabak und Dro­gen sind verboten.

• Schlicht­heit

Make-up, Pier­cings, Schmuck und modi­sche Klei­dung leh­nen die meis­ten Amish Peo­p­le ab. Damit ent­fällt auch die Ver­su­chung, zu kon­su­mie­ren, nur weil man es kann, weil Fast Fashion eben bil­lig ist und im Zwei­fels­fall in der Ata­ca­ma-Wüs­te landet.

Sta­tus­sym­bo­le haben eben­falls kei­ne Bedeu­tung. Es geht um die inne­ren Wer­te der Men­schen und nicht dar­um, wie viel Geld jemand hat. Die Ami­schen schrei­ben sich Brie­fe statt E‑Mails und schnei­dern ihre Klei­dung selbst. DIY wird groß geschrieben.

• Genüg­sam­keit, Tei­len und Altruismus

Wie viel braucht man, um glück­lich zu sein? Eine Mahl­zeit aus selbst ange­bau­tem Gemü­se, phi­lo­so­phi­sche Fra­gen und das Für­ein­an­der-Dasein erset­zen Kon­sum, Ego­is­mus und Selbst­dar­stel­lung. Alles wird geteilt, denn Besitz bedeu­tet weni­ger als die Gemeinschaft.

• Lie­be und Glück

Zorn, Neid und ähn­li­che Gefüh­le füh­ren in den Augen der Ami­schen nicht zu Glück. Auch mate­ri­el­le Wer­te haben für sie wenig Bedeu­tung. Sie besin­nen sich auf Wer­te wie Lie­be, Zusam­men­halt, hand­werk­li­che Fähig­kei­ten und kör­per­li­che Arbeit.

Der tech­nik­freie All­tag der Amish People

Vie­le Amish Peo­p­le sind Hand­wer­ker oder Bau­ern, die nach Mög­lich­keit ihre eige­ne Farm bewirt­schaf­ten. Auch wenn das in der heu­ti­gen Zeit immer schwie­ri­ger wird und sie daher oft auch einer beruf­li­chen Tätig­keit in der moder­ni­sier­ten Welt nach­ge­hen, besin­nen sie sich immer wie­der auf ihre Wer­te und füh­ren inner­halb ihrer Gemein­schaft wei­ter­hin ein ursprüng­li­ches Leben.

• Ver­zicht auf Elektrizität

Das Nut­zen eines Tele­fons ist in den meis­ten Gemein­schaf­ten nicht ver­bo­ten, doch vie­le Ami­sche haben kei­nen eige­nen Tele­fon­an­schluss. Im Not­fall nut­zen sie den ihrer Nach­barn. Libe­ra­le Gemein­schaf­ten benut­zen auch ver­mehrt elek­tro­ni­sche land­wirt­schaft­li­che Gerä­te wie Melk­ma­schi­ne oder Rasen­mä­her, aber Unter­hal­tungs­elek­tro­nik wie Inter­net, Han­dys und Com­pu­ter sucht man nor­ma­ler­wei­se vergebens.

Fun fact: Laut Wiki­pe­dia sind Wasch­ma­schi­nen in allen Unter­grup­pen bis auf eine erlaubt. Das ist nach­voll­zieh­bar, wenn man als Expe­ri­ment ein­mal ver­sucht, die wöchent­li­che Dreck­wä­sche der Fami­lie per Wasch­brett zu rei­ni­gen, zumal Ami­sche durch­schnitt­lich 5 Kin­der haben. Von Win­deln und dem kräf­te­zeh­ren­dem Aus­wrin­gen der Wäsche reden wir lie­ber gar nicht erst.

• Ver­zicht auf moto­ri­sier­te Fortbewegung

Trak­to­ren als Arbeits­mit­tel sind in eini­gen Gemein­schaf­ten aus­ge­nom­men. Die Ami­schen set­zen für die pri­va­te Fort­be­we­gung auf Kut­schen, Fahr­rä­der und Tret­rol­ler, also auf Pfer­de­stär­ken und Mus­kel­kraft. Das schont nicht nur das Kli­ma, son­dern ist natür­lich auch gesünder.

• har­te kör­per­li­che Arbeit

Da vie­le Ami­sche im Hand­werk oder in der Land­wirt­schaft tätig sind, steht phy­si­sche Arbeit im Vor­der­grund. Die Ami­schen bau­en ihre Häu­ser und Möbel selbst (meis­tens aus Holz) und bewirt­schaf­ten ihre Höfe. Das dazu nöti­ge Wis­sen geben die Eltern an ihre Kin­der wei­ter. Und Inter­net und Com­pu­ter sind in einer Gärt­ne­rei oder Schlos­se­rei glück­li­cher­wei­se nicht zwin­gend erforderlich.

• nach­hal­ti­ge Landwirtschaft

Ein gro­ßer Teil der Pro­duk­te dient der Selbst­ver­sor­gung, z. B. Obst, Gemü­se, Getrei­de, Milch und Honig. Eini­ge Pro­duk­te wie Tabak oder Hanf wer­den auch auf ört­li­chen Bau­ern­märk­ten ver­kauft, um Anschaf­fun­gen zu finan­zie­ren. Und auch jeg­li­chen Über­schuss ver­kau­fen die Amish Peo­p­le in ihrer Nachbarschaft.

Sie set­zen wenig syn­the­ti­schen Dün­ger ein, son­dern nut­zen Tier­dung und pflü­gen Pflan­zen unter, um die Boden­qua­li­tät auf natür­li­che Wei­se zu erhö­hen. Daher haben sie den Ruf, auch aus­ge­laug­te Böden mit ihren Metho­den rege­ne­rie­ren zu können.

Trotz ihrer ver­gleichs­wei­se klei­nen, von der Fami­lie selbst bewirt­schaf­te­ten Acker­flä­chen fah­ren sie höchst ergie­bi­ge Ern­ten ein. Das liegt einer­seits dar­an, dass sie sich auf sai­so­na­len Anbau kon­zen­trie­ren, der ihnen meh­re­re Ern­ten im Jahr beschert. Des Wei­te­ren beach­ten sie den Frucht­wech­sel und wech­seln regel­mä­ßig die Anbau­flä­chen für ihre Pflan­zen, so dass die Böden erst gar nicht auslaugen.

Luxus als Selbst­ver­ständ­lich­keit vs. Freu­de am ein­fa­chen Leben

Hand aufs Herz – wer von euch hat schon ein­mal ver­sucht, eine Woche ohne Strom aus­zu­kom­men? Dabei war das ja frü­her auch mög­lich, weil es ein­fach kei­nen Strom gab. Und Elek­tri­zi­tät ist auch heut­zu­ta­ge in vie­len Län­dern kei­ne Selbstverständlichkeit.

Wie haben unse­re (Ur-)Großeltern gelebt?

Tja, zum Teil ähn­lich wie die Ami­schen. Vie­le Deut­sche haben preu­ßi­sche Vor­fah­ren, die bis zum 2. Welt­krieg ähn­lich ursprüng­lich leb­ten wie die Amish Peo­p­le noch heu­te. Und hät­ten nicht so vie­le Men­schen aus Preu­ßen, Böh­men, Schle­si­en, Mäh­ren usw. flüch­ten und sich woan­ders nie­der­las­sen müs­sen, hät­ten sie viel­leicht auch noch län­ger so gelebt: Eis­kel­ler statt Kühl­schrank, Acker­bau statt Indus­trie, Eigen­tum statt Miete.

Ob Hyg­ge oder Flow: (Rück-)Besinnung ist in

In vie­len klei­nen, abge­le­ge­nen Dör­fern Euro­pas fin­den wir auch heu­te noch Men­schen, für die Elek­tri­zi­tät oder Inter­net kei­ne Bedeu­tung haben. Und wenn wir uns jetzt ein­mal die The­men nach­hal­ti­ger, acht­sa­mer Maga­zi­ne wie Hyg­ge und Flow anschau­en, stel­len wir fest, dass immer mehr Men­schen aus dem Hams­ter­rad aus­stei­gen und von einem beschau­li­chen, simp­len Leben auf dem Land träu­men. Mit Wie­se statt WLAN und Kühen statt Quoten.

Was man kennt, ver­misst man

Doch so radi­kal muss man ja nicht gleich sein. Als Free­lan­cer kann man noch immer via Inter­net arbei­ten, nach­dem man sein Gemü­se­beet im Grü­nen gejä­tet hat. Und auch Musik über Spo­ti­fy ver­schö­nert im Zwei­fel das abend­li­che Lagerfeuer.

Nach­hal­tig­keit – was brau­chen wir wirklich?

Es ist also mög­lich, anders zu leben. Und viel­leicht ist es eine gute Idee, ein­fach mal mutig oder ehr­lich zu sein und sich zu fra­gen, was man wirk­lich braucht.

Die Schwie­rig­keit in unse­rer Wahr­neh­mung mag dar­in bestehen, dass wir die his­to­risch noch immer jun­gen Errun­gen­schaf­ten der Moder­ne als Selbst­ver­ständ­lich­keit wahr­neh­men. Und was man kennt, ver­misst man, wenn man es plötz­lich nicht mehr hat oder nicht nut­zen soll.

Daher emp­fin­den wir eine Umstel­lung auf einen nach­hal­ti­ge­ren Lebens­stil oft als Ver­zicht. Und ver­zich­ten lie­ber auf mehr Nach­hal­tig­keit, anstatt uns zu fra­gen, inwie­fern wir wirk­lich ein­ge­schränkt wären, wenn wir bestimm­te lieb­ge­won­ne­ne Gewohn­hei­ten able­gen würden.

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5 The­men und Fra­gen zu mehr Nach­hal­tig­keit im Alltag

Als Anreiz gegen die­se uns eige­ne Träg­heit haben wir hier ein paar Fra­gen an dich, die dir dabei hel­fen kön­nen, her­aus­zu­fin­den, wie und ob du nach­hal­ti­ger leben kannst:

1. Bewuss­ter Konsum

  • Brau­che ich das wirklich?

Das ist die Fra­ge, die du dir vor jeder Neu­an­schaf­fung stel­len soll­test. Braucht man eine zehn­te Hose, einen Deko-Gegen­stand Made in Chi­na oder jeden Tag Fleisch? Wärst du unglück­li­cher, wenn du auf den Kauf ver­zich­test – oder kom­pen­sierst du mit dei­nem Kon­sum etwas ande­res, was zu Las­ten des Kli­mas, der Natur oder ande­rer Men­schen geht?

• Kann ich das noch gebrauchen?

Wir wol­len dich nicht zum Mes­sie machen. Aber bevor du etwas Aus­ran­gier­tes in den Müll wirfst, kann dich das Inter­net zu zahl­rei­chen Upcy­cling-Ideen inspi­rie­ren: Taschen aus alten Hosen, Post- und Gruß­kar­ten aus alten Zeit­schrif­ten, Wind­lich­ter oder Auf­be­wah­rungs­do­sen aus Mar­me­la­den­glä­sern sind nur eine win­zi­ge Aus­wahl der Möglichkeiten.

2. Ent­schleu­ni­gung

Eine Woche ohne Han­dy? Unvor­stell­bar! Aber war­um eigent­lich? Was wür­de dir feh­len? Ver­lierst du Freun­de, ver­passt du etwas, wenn du nicht stän­dig erreich­bar bist? Kannst du dei­nen Job dann nicht mehr aus­üben bzw. gab es dann also dein Berufs­bild vor 25 Jah­ren noch nicht? (Kann ja sein, wenn du Social Media Mana­ger bist.)

Oder tut es dir viel­leicht auch mal ganz gut, nicht dau­ernd aufs Han­dy zu schau­en, damit du end­lich mal zur Ruhe kommst und dir ein biss­chen Me-Time gön­nen kannst?

3. Ernäh­rung

Hand aufs Herz – wie oft lan­den Lebens­mit­tel bei dir im Müll? Und wie oft könn­test du das ver­mei­den? Und wür­dest du es viel­leicht öfter ver­mei­den, wenn du dei­ne Nah­rung selbst anbau­en wür­dest und dafür arbei­ten müss­test, anstatt dir für ein paar Euro im Dis­coun­ter etwas zu kau­fen oder per Lie­feran­do zu bestel­len? Laut Sta­tis­tik wirft jeder Mensch in Deutsch­land jähr­lich übri­gens 75 Kilo­gramm Lebens­mit­tel in den Müll. Trau­rig, oder?

Manch­mal hilft es schon, ein biss­chen zu pla­nen, anstatt ein­fach nur zu kau­fen. Und dar­an zu den­ken, dass das M in MHD „Min­dest-“ bedeu­tet. Einen abge­lau­fe­nen Joghurt kannst du z. B. noch Wochen nach Ablauf des MHD essen. Wenn ein Lebens­mit­tel schlecht ist, siehst und riechst du es.

4. Mobi­li­tät

Das Auto ist nicht immer schnel­ler. Und wäh­rend des Auto­fah­rens kannst du auch kein Buch lesen. Im ÖPNV schon. Pro­bier doch ein­fach mal aus, ob du auch zwei Wochen ohne Auto aus­kom­men könn­test. Viel­leicht fin­dest du inner­halb die­ses Zeit­raums so viel Geschmack an den Alter­na­ti­ven, dass du auch danach mehr radelst, läufst oder dei­nen All­tag ein­fach ein wenig umstrukturierst.

5. Elek­tri­zi­tät

Nein, du sollst jetzt kei­ne Ker­zen kau­fen und dei­nen Kühl­schrank abtau­en. Aber über­leg mal, was dir ohne Elek­tri­zi­tät wirk­lich feh­len würde:

  • Dein Lap­top oder PC zum Arbei­ten? Okay. Aber muss er den gan­zen Tag ein­ge­schal­tet sein, wenn du nicht gera­de arbeitest?
  • Dein Kühl­schrank – ver­ständ­lich. Aber wäre er auch nötig, wenn du nur Lebens­mit­tel kaufst, die du inner­halb weni­ger Tage ver­brauchst? Müs­sen die Gur­ke und die Äpfel im Kühl­schrank liegen?
  • Elek­tri­sches Licht? Klar, gera­de im Win­ter nicht ein­fach, dar­auf zu ver­zich­ten. Aber ist eine Ker­ze zum Film oder Abend­essen nicht auch ganz roman­tisch? Und brennt bei dir viel­leicht manch­mal das Licht, weil du zu faul bist, es aus­zu­ma­chen oder dar­an gewöhnt bist?

Las­sen wir es jetzt gut sein. Natür­lich sind unse­re Über­le­gun­gen und Fra­gen auch wie­der nur ein klei­ner Aus­schnitt des gro­ßen Gan­zen. Aber viel­leicht konn­ten wir dir mit die­sem Arti­kel schon ein paar Denk­an­stup­ser in Rich­tung Nach­hal­tig­keit geben. Und wenn nicht – sei ehr­lich! Jetzt weißt du auf jeden Fall mehr über die Ami­schen als zuvor :-).