Rezession kommt aus dem Lateinischen und bedeutet Niedergang. In der Wirtschaftswissenschaft wird von einer Rezession gesprochen, wenn die gemessene wirtschaftliche Leistung, das Bruttosozialprodukt, unmittelbar hintereinander in zwei Quartalen sinkt. Gemessen daran befindet sich Deutschland gegenwärtig auf dem Weg in eine Rezession. Ängste und Traumata werden wach. Bilder aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts spucken durch die Köpfe. Hunger. Armut. Kälte. Die Aufmerksamkeit von Medien und Politik wird auf die Wiederkehr eines Urtraumas gelenkt.
Rezession versus langfristiges Wirtschaftswachstum
Viel wichtiger aber für den Wohlstand der Menschen ist das langfristige Wirtschaftswachstum. Das zeigt das Beispiel der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Land hat seit 1948 sieben Rezessionen erlebt. Den ersten großen Einbruch der Nachkriegszeit gab es während der Ölkrise von 1975/76. Markante Rezessionen folgten auch von 1991 bis 1994, während der Finanzkrise von 2008/09 sowie der Corona-Krise 2020. Länger als vierzig Monate haben Phasen der Rezession https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30100/umfrage/dauer-vergangener-rezessionen-in-deutschland/ in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht überstiegen.
Trotz diesen Rezessionen ist die Wirtschaftskraft in Deutschland massiv gestiegen. Das reale Bruttoinlandprodukt (BIP) ist von 1960 bis 2021 um mehr als das dreiundzwanzigfache gewachsen. Der Wert der in Deutschland produzierten Güter und Dienstleistungen stieg von 155 Milliarden Euro auf 3.602 Milliarden Euro. Bei diesen Angaben handelt es sich um inflationsbereinigte Werte – die Geldentwertung in diesem Zeitraum wurde also berücksichtigt.
Insofern kann man sagen: Die langfristige Bedeutung von Rezessionen wird überschätzt. Aufgrund dessen kam der US-Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Lucas zu der Schlussfolgerung, dass Rezessionen den Durchschnittsbürger fast gar nicht schmerzen würden. Sie seien nur temporäre Schwankungen rund um einen langfristigen Wachstumspfad.
Was sind die langfristigen Folgen einer Rezession?
Die Ansicht, dass Rezessionen vernachlässigbare Folgen haben, ist allerdings umstritten. Zumindest trifft diese Aussage nicht auf alle gleichermaßen zu. Denn bei einem wirtschaftlichen Abschwung gibt es immer auch Opfer der sich daran anschließenden Veränderungen. Zu ihnen zählen insbesondere Berufseinsteiger und Personen, die ihre Arbeit dauerhaft verlieren. Je länger ihre Arbeitslosigkeit andauert, desto mehr verliert zugleich ihre Ausbildung und Berufserfahrung an Wert. Ein Teufelskreis, der sich eröffnet. Vor allem dann, wenn sie in neue Berufsfelder wechseln müssen. Die Betroffenen müssen sich dann in der Regel mit schlechter bezahlten Stellen zufriedengeben. Langfristig betrachtet reduziert sich ihr Einkommen. Auch Schul- und Studienabsolventen, die während eines Wirtschaftseinbruchs auf den Arbeitsmarkt kommen, haben deutlich schlechtere Karrierechancen als Absolventen, die während einer Hochkonjunktur ins Berufsleben starten. Ein schlechter Start in Zeiten eines Wirtschaftsabschwungs ist bei Berufseinsteigern einkommensmäßig auch nach vielen Jahren noch nicht aufgeholt.
Wie verhält man sich in Zeiten der Rezession?
Auch Unternehmensgründungen scheitern in Rezessionsphasen noch häufiger als in Zeiten boomender Konjunktur. Geht schon in normalen Zeiten neun von zehn Start-ups oftmals nach weniger als drei Jahren die Luft aus, so sind die Schwierigkeiten in einer Rezession noch deutlich größer. Investitionen werden verschoben. Steigende Zinsen am Kapitalmarkt machen es Start-ups noch schwerer als Firmen, die schon länger am Markt sind, Kredite zu erhalten. Kapital und Sparguthaben werden in Sachwerte wie Immobilien und Edelmetalle verlagert, anstatt in den Produktionsprozess. So verlangsamt sich in Phasen der Rezession die wirtschaftliche Entwicklung noch weiter.
Rezession, eine Krise mit neuen Chancen?
Allerdings können Krisen auch neue Chancen eröffnen. Wie die volkswirtschaftliche Forschung gezeigt hat, sind Zeiten der Rezession Phasen des beschleunigten Strukturwandels: Übertreibungen des Marktes finden ein Ende; wirtschaftliche Ungleichgewichte der Vergangenheit werden korrigiert. Firmen mit unwirtschaftlichen Geschäftsmodellen scheiden aus dem Markt aus. An ihre Stelle treten neue Unternehmen mit besseren Zukunftschancen. Eine „schöpferische Zerstörung“ tritt in Kraft.
Die Bereinigungseffekte einer Rezession mögen kurzfristig für den Einzelnen zu Wohlstandsverlust und Unsicherheiten führen. Langfristig betrachtet aber bringen sie auch immer Chancen mit sich, neue Ideen zu verwirklichen und eine Volkswirtschaft auf einen Pfad höheren Wachstums und, wie zu hoffen ist, zugleich zu größerer Nachhaltigkeit zu führen.
-MCK-