Viele Menschen in westlichen Konsumgesellschaften kennen das Problem: Der Kleiderschrank platzt schon aus allen Nähten, aber sich etwas Neues zum Anziehen kaufen, macht einfach Spaß. So müssen Kleidungsstücke weichen, die vielleicht noch gar nicht oder nur sehr selten getragen wurden. Die Verschwendung, die dies bedeutet, wenn man Kleidungsstücken nach kurzem, vielleicht gerade einmaligen Gebrauch, wegwirft oder einmottet, ist den Wenigsten bewusst. Denn für die Herstellung eines T‑Shirts sind bis zu sechzehn volle Badewannen Wasser nötig. Hinzu kommt, dass die meisten Shirts eine Strecke von bis zu 18.000 Kilometern zurückgelegt haben, wenn sie fertig im Laden liegen: Einmal um die halbe Welt.
Less is more
Lange bevor sich die fernöstlich wirkende Weisheit des „Weniger ist mehr“ bei uns herumgesprochen hat, gehörte sie schon zu den jedem Kind bekannten Weisheiten der englischen Sprache. Gut möglich, dass sich aus dieser Geisteshaltung in England ein Qualitätsbewusstsein für Kleidung entwickelt hat, das bis heute nicht gänzlich verloren ist. Wer einmal in London war, hat vielleicht im Umfeld der Savile Row und Jermyn Street traditionelle Schneidereien entdeckt, die dem Trend der „Fast Fashion“ stets widerstanden haben. Ihre Kundenbücher geben vielmehr seit 150 Jahren faktisch das „Who is Who“ der britischen Gesellschaft wieder. Was einmal dort in vollendeter Maßarbeit in Auftrag gegeben wurde, wurde von den Kunden über Jahrzehnte getragen, gepflegt und immer wieder erneuert. Gehört es doch bis heute als Dienstleistung solcher Häuser dazu, die in traditioneller Handwerkskunst gefertigten Kleidungsstücke für den Kunden bei Bedarf zu ändern oder auszubessern. Wie man sieht: Nachhaltigkeit im besten Sinne des Wortes! Warum dies kein Privileg der „High Society“ sein muss, verraten wir Euch im Weiteren.
Feine Stoffe in Wien
Nur ein dauerhaft getragenes Kleidungsstück ist ein nachhaltiges. Bevor es entsteht, kommt zuerst die Beschäftigung mit dem Stoff, aus dem es gefertigt werden soll. Es lohnt, sich damit Zeit zu lassen und die Auswahl sorgfältig hinsichtlich der verschiedensten Kriterien zu treffen, die sich daran orientieren, wann und bei welchen Gelegenheiten es getragen werden soll. Am besten ist es, sich fachkundig beraten zu lassen, welche speziellen Eigenschaften und welche Herkunftsgeschichte ein Stoff hat, der in die nähere Auswahl kommt.
Unser Tipp: In Wien existiert ein Spezialist feiner Stoffe: Wilhelm Jungmann und Neffe. Nur wenige Schritte von der Wiener Oper entfernt findet sich eine Auswahl von 1000 vorrätigen Stoffen höchster Qualität und Langlebigkeit. Das seit 1836 existierende Geschäft führt ausschließlich in Italien und England hergestellte Ware von bekannten Firmen wie Loro Piana und Zegna, aber auch von kleineren Webereien wie Fox Brothers, die mitunter noch in Familienbesitz sind. Das zuvorkommende Verkaufspersonal ist darauf spezialisiert, den Kunden gemäß seinen persönlichen Ansprüchen und Wünschen fachkundig zu beraten; ein Einkaufserlebnis der besonderen Art.
Customer own
Seit Gründung des Wiener Geschäftes, das sich heute noch mit gediegener Holzvertäfelung darbietet wie in kaiserlichen Zeiten und eben deswegen gerne als Kulisse für historische Filme verwendet wird, deckten sich über Jahrzehnte viele Schneider aus Osteuropa mit den besten Stoffen ein. Das Geschäftsbuch ist eine wahre Fundgrube für Forscher der alten K.K. Zeiten.
Bis heute finden sich in osteuropäischen Ländern (wie auch in Fernost) preisgünstige Schneider, bei denen man sich nachhaltige Mode maßfertigen lassen kann.
Wer gerne auf Reisen geht oder sich aus anderen Gründen häufiger in diesen Ländern aufhält, sollte davon profitieren. Informationen über empfehlenswerte Schneider (die es nicht nur in Osteuropa gibt!) hält Wilhelm Jungmann ebenfalls bereit.
Ist man bei dem künftigen Schneider seines Vertrauens angekommen, lohnt es immer, sich bereits fertige Stücke zeigen zu lassen, um sich von ihrer handwerklichen Qualität zu überzeugen. Eine Orientierung vorab gibt bereits die Homepage oder der Instagram-Seite des Ateliers.
Weil die vor Ort vorhandene Stoffauswahl zumeist begrenzt und in aller Regel auf die klimatischen Verhältnisse des jeweiligen Landes angepasst ist, empfehlen wir, den Stoff mitzubringen, der für einen persönlich die erste Wahl ist.
Dieser vom Kunden mitgebrachte Stoff wird gewöhnlich als „customer own“ bezeichnet. Eventuell wird dafür eine kleine Gebühr berechnet, die zu zahlen sich jedoch in jedem Falle lohnt. Es erfolgt sodann die Aufnahme der persönlichen Maße.
Bespoke Tailoring
Der Kunde wird vom Schneider genau vermessen; ist es ein Schneider, der seinen Beruf versteht, werden Schwächen des Körperbaus durch den individuellen Schnitt überdeckt. Alle Details des anzufertigenden Stückes sollten daraufhin mit dem Schneider besprochen werden. Aufgrund dieser genauen Verabredungen bezeichnet man in England diese Art des Kleidungskaufs traditionell auch „bespoke“ (besprochen).
Allerdings ist zu bedenken: Die meisten Schneider sprechen nur in geringem Maße Fremdsprachen. Daher unser Tipp: Durch einen Anruf zuvor klären, wie gut die sprachliche Kommunikation ist. Sollten in dieser Hinsicht Schwierigkeiten vorhanden sein: Entweder ein Kleidungsstück mitbringen, das als Vorlage dienen könnte oder den Schneider in Begleitung eines Muttersprachlers aufsuchen, der einen gut genug versteht, um dann die Wünsche an den Schneider in seiner Sprache weiterzugeben. Das Hotel oder die Unterkunft können dabei ein erster Ansprechpartner sein.
Normalerweise erfolgen sodann zwei Anproben. Zwischen ihnen können ein bis zwei Wochen liegen. Eure Reiseplanung sollte also darauf eingerichtet sein.
Das Resultat wird immer ein Kleidungsstück sein, zu dem man ein ganz besonderes persönliches Verhältnis erhalten wird. Mit einer einmaligen Note. Vor allem aber mit tadellosem Sitz, die Ware von der Kleiderstange um ein Vielfaches übertrifft. Und deshalb über Jahre, wenn nicht gar über Jahrzehnte wertgeschätzt, gepflegt und benutzt wird. So langlebig wie nachhaltige Mode eben sein sollte…!
-MCK-