Die Auswahl an alkoholischen Getränken ist groß: Jedes hat seine eigenen Qualitäten und seine Fans. Alkohol in nahezu jeder Form ist für uns stets verfügbar und gehört für viele zum geselligen Zusammensein dazu.
Alkohol – ein riskantes Vergnügen
Zudem hat die Werbeindustrie über Jahrzehnte dafür gesorgt, dass die Verbindung zwischen bestimmten Getränken und besonderen Anlässen so eng geworden ist, dass Alkohol bei Festlichkeiten kaum noch wegzudenken ist.
Doch nicht nur in geselligen Runden und zu ausgewählten Gelegenheiten wird er konsumiert; für viele ist ein Leben ohne den Griff zur Flasche kaum noch denkbar. Laut einer Erhebung aus dem Jahr 2018 konsumierten knapp 7 Millionen Deutsche Alkohol in einem ungesunden Maß. Diese zwei Seiten der Medaille haben dem Alkohol schon immer einen zweifelhaften Zauber verliehen.
Plutarch und der Wein
„Der Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste und unter den Nahrungsmitteln das angenehmste“, pries bereits in der Antike der griechischer Historiker Plutarch die Vorzüge des vergorenen Traubensaftes. In geringen Maßen genossen ist dem nicht zu widersprechen. Insbesondere, weil Wein in der griechisch-römischen Welt in aller Regel mit Wasser verdünnt getrunken wurde.
Gleichwohl kannte die Antike auch schon die Kehrseite des maßvollen Trinkens: Mythologisch verkörpert wird sie von Dionysos, dem Gott des Weines, des Rausches, der Ekstase, ja des Wahnsinns, der im Gott Apollon (Heilung, Reinheit und Mäßigung) seinen Gegenpart hat. Diese Gegensätzlichkeit des Apollinisch-Dionysischen spiegelte schon damals die Janusköpfigkeit des Alkohols wider. Doch die Verbindung zwischen Menschen und Alkohol ist noch weitaus älter.
Halluzinationen in der Steinzeit
Bereits bei den Menschen der Steinzeit (um 10.000 v. Chr.) konnte nachgewiesen werden, dass sie fermentierte Getränke herstellten. In der wissenschaftlichen Forschung wird die Herausbildung des Bewusstseins und der Vorstellungsgabe des Menschen mit dem Verzehr von Pilzen, die halluzinogene Wirkung hatten, in Verbindung gebracht. Waren diese gerade nicht zur Hand, dürfte der alkoholische Rausch sie ersetzt und eine ersehnte Auszeit von der Mühsal des gefahrvollen Überlebenskampfes versprochen haben.
Bier – vom flüssigen Brot zum Kultgetränk
Der weitere Siegeszug des Alkohols ging vermutlich Hand in Hand mit der Umstellung vom Nomadentum zum Ackerbau. Die Anzahl der Mitglieder einer Sippe vergrößerte sich. Dabei konnte man es sich nicht leisten, hart gewordenes Brot zu verschwenden. Man entdeckte jedoch, dass man es durch die Beimengung von Wasser und Honig wieder genießbar machen konnte. So kam der Vorläufer des heutigen Bieres, bei den Germanen auch „Met“ genannt, in seinen bis heute anhaltenden Ruf, „flüssiges Brot“ zu sein. Bei den Germanen erfreute sich dieser Trank durch die Wirkung der alkoholischen Gärung größter Beliebtheit und floss bei Zusammenkünften geradewegs in Strömen. Kein Zufall also, dass sich etwa bei Fußballfans bis heute Bier einer weitaus größeren Beliebtheit erfreut als Wein.
Bier oder Wein, was darf´s denn sein?
Neben dieser sozialen Bedeutung innerhalb einer Gemeinschaft erlebte die Verbreitung von Bier und Wein in der antiken Kultur auch zwischen den Völkern einen Wertungsunterschied. Die antiken Mittelmeervölker, die den Wein vorzogen, rümpften ihre Nase über die Biertrinker aus den germanischen Wäldern. Überall dort, wo sich die griechisch-römische Kultur ausbreitete, wurde der Weinanbau vorherrschend und verdrängte den im Ruf des „Barbarischen“ stehenden Bierkonsum.
Bis heute profitieren die Franzosen immer noch von der in der römischen Antike begründeten Weinkultur in ihrem Land; in Deutschland hingegen setzte sich der Weinanbau nur dort durch, wo sich die Römer dauerhaft niederließen, z. B. an Mosel und Rhein.
Wein, ein Kultgetränk
Doch Alkohol war immer mehr als ein Getränk zur Intensivierung eines Gruppenerlebnisses und eines kollektiven Rausches. Schon das Wort „Kultgetränk“ zeugt bis heute von seiner Verwendung bei kultisch-religiösen Feiern. Mal regte ein Rausch – verursacht durch Dämpfe aus dem Erdinneren wie in Delphi – die Priesterinnen des Orakels zu Prophezeiungen an, mal wurde er bei dionysischen Feiern in Athen oder Rom gezielt durch Wein herbeigeführt. Auch in Nordamerika verwendeten die Indianer bei kultischen Zeremonien bewusst vergorene Frucht- und Getreidesäfte. In der christlichen Liturgie hat sich die Verwendung von Wein noch heute erhalten, die in antiken Kulten ihren Ursprung hat.
„Brüder, kommt schnell, ich trinke Sterne!“
Im Laufe der Geschichte verfeinerte sich der Genuss. Unter dem Einfluss eines kühler werdenden Klimas im späten 15. Jahrhunderts wurde die Gärung von Weinen unterbrochen. Die Hefe, die man den Weinbeeren zusetzte und die den Zucker in Alkohol verwandeln sollte, hatte nun nicht mehr genügend Zeit, weil die plötzliche Kälte den Gärungsprozess zum Erliegen brachte. Im Frühjahr setzte dann die Gärung wieder ein. Bis dahin hatte man den Saft bereits in Flaschen gefüllt. Bei der einsetzenden zweiten Gärung entstand jedoch ein Übermaß an Kohlendioxid: Dies war zur Geburtsstunde des Champagners.
Doch es dauerte über zweihundert Jahre, bis man den perlenden Wein zu schätzen lernte. Erst seine besondere Wertschätzung am englischen Hof ließ Frankreich aufhorchen. Die Adligen in Versailles wollten dem englischen Beispiel nicht nachstehen und der Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon (1638–1715) wurde beauftragt, die besten Weine der Champagne für ein sprudelnd-schaumiges Getränk zu verwenden. Als der Mönch zum ersten Mal seinen Schaumwein verkostete, soll er laut ausgerufen haben: „Brüder, kommt schnell, ich trinke Sterne!“
„Ich hätte mehr Champagner trinken sollen“
Dem Erfindungsreichtum der Kulturen im Zusammenhang mit verfeinerten Alkoholgetränken scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Spätestens mit der Entwicklung des Champagners – in anderen Weltgegenden begleitet von obst‑, reis- oder gerstebasierten Sorten, aus denen Schnaps, Whiskey oder Brände hergestellt wurden – begann ein weltweiter Siegeszug des Alkohols. Zu seiner Erfolgsgeschichte trägt bei, dass Alkohol entspannt und Ängste wie auch Hemmungen abbaut. Seine Kehrseite ist, dass er aggressionssteigernd wirkt, weswegen Alkohol in Kriegen gerne an Soldaten ausgeschenkt wurde (und immer noch wird).
Die Vielfalt seiner Wirkung vom belebenden Zauber bis zur Destruktion ist groß. So verwundert es nicht, dass der englische Ökonomen John Maynard Keynes zu Ende seines Lebens bedauernd als letzte Worte geseufzt haben soll: „Ich hätte mehr Champagner trinken sollen…“ Dass er es nicht tat, lag an den Gefahren des Alkoholkonsums, die Keynes bewusst waren. Denn wenn der böse Geist einmal aus der Flasche heraus ist, ist es schwierig, ihn dort wieder hineinzubekommen.
Alkoholkonsum in Zahlen
Das richtige Maß für sich zu bestimmen, ist für viele bis heute eine sehr schwierige Angelegenheit geblieben. Dies umso mehr, als der durchschnittlich pro Person genossene Alkoholkonsum über die Jahrhunderte immer mehr anstieg; nach statistischen Angaben trinken die Deutschen (über 15 Jahren) aktuell durchschnittlich jedes Jahr über 10 Liter reinen Alkohol. Weltweit ist der Alkoholkonsum seit 1990 sogar um 70 Prozent gestiegen. Die Gefahr einer späteren Abhängigkeit steigt dabei beträchtlich, je früher in jungen Jahren der erste Vollrausch eintritt. Auch ist die Wahrscheinlichkeit einer späteren Alkoholsucht bei denjenigen größer, deren Eltern bereits abhängig waren. Die medizinische Forschung weiß mittlerweile, dass Alkohol epigenetische Schäden am Erbgut verursacht.
Folgen des Alkoholmissbrauchs
Die Liste der schweren körperlichen Schäden durch Alkoholismus ist lang: Sie reicht von Magenblutungen über Leberzirrhose bis zu Krebserkrankungen (vor allem des Magens, des Kehlkopfs, der Speiseröhre und der Bauchspeicheldrüse). Darüber hinaus steht Alkoholismus in Zusammenhang mit der Entwicklung von Demenz (Gedächtnisverlust und kognitive Beeinträchtigung) sowie Schlafstörungen und Persönlichkeitsveränderungen. Doch die Alkoholsucht ist nicht nur für den Einzelnen eine große Gefahr, sondern auch für ganze Gesellschaften, wie man am nachfolgenden Beispiel sehen kann.
Im Suff versunken: Extremfall Schweden
In den skandinavischen Ländern wurde die Sucht nach Alkohol im 19. Jahrhundert zu einer geradezu epidemischen Seuche. Ganze Landstriche verfielen in der langen Winterzeit durch den ungehemmten Suff in einen Dornröschenschlaf. Um dem entgegenzuwirken, entschied die schwedische Regierung, die Verbrauchssteuern für Alkohol drastisch anzuheben, ein staatlich organisiertes Vertriebssystem auf Monopolbasis einzurichten und die Abgabe von alkoholischen Getränken streng zu rationieren. Auch wenn auf Druck der EU in Schweden das staatliche Monopol auf den Alkoholverkauf mittlerweile wieder aufgegeben wurde, sind die Preise dort immer noch rund doppelt so hoch wie in Deutschland. Mit diesen Maßnahmen gelang es schließlich im hohen Norden, die Alkoholsucht weitgehend zurückzudrängen.
Alkohol: Schwangerschaft, Straßenverkehr und Co-Abhängigkeit
Zu den größten Gefahren des Alkoholkonsums zählt Alkohol in der Schwangerschaft. Als Zellgift kann Alkohol bereits in geringen Mengen einen Embryo für den Rest seines Lebens schädigen. Schon ein täglich in der Schwangerschaft getrunkenes Glas Wein erhöht die Wahrscheinlichkeit von körperlichen oder geistigen Anomalien des neugeborenen Kindes; deswegen sollten Schwangere grundsätzlich auf jeden Schluck Alkohol verzichten.
Geistige und körperliche Schäden bei Neugeborenen durch Alkohol
Dass die Gefahr immer noch unterschätzt wird, zeigt der Umstand, dass in Deutschland jedes Jahr durch Alkoholkonsum der Mütter rund 10.000 Neugeborene mit körperlichen und geistigen Behinderungen auf die Welt kommen, während mindestens 2.000 Säuglinge sogar am fetalen Alkoholsyndrom leiden, das sich lebenslang negativ auswirkt. Und selbstverständlich hat Alkoholkonsum in der Schwangerschaft auch Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung der Kinder.
Alkohol am Steuer
Auch im Straßenverkehr werden die Gefahren des Alkohols immer noch unterschätzt. Alkohol beeinflusst die Botenstoffe im Gehirn, die Informationen zwischen den Nervenzellen übertragen. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Fahrers nimmt bei Alkoholkonsum deutlich ab.
Hilfe bei Alkoholismus und Co-Abhängigkeit
Alkoholismus schädigt nicht nur die Konsumenten selbst, sondern auch ihr soziales Umfeld. Mittlerweile findet das Phänomen der Co-Abhängigkeit zunehmend Beachtung, wenn Partner oder Freunde das Suchtverhalten der Erkrankten fördern oder darunter leiden. In einer solchen Situation ist es das Beste, sich professionelle Hilfe zu suchen, damit der Zauber des Alkohols nicht zu einem Fluch wird. Erste Anlaufstellen können die Suchthilfe des Roten Kreuzes oder der Caritas sein.
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